Informationsmaterial zum Datenschutz
Homepage

Wir über Uns
Berlin
National
Europäische Union
International
Recht
T.O Maßnahmen
Aktuelles
Kontrolle
Materialien
Service
Themen

4.6.2 Meldewesen

Falsche Daten für die Kirchensteuer

Ein konfessionsloser Bürger aus Pankow fand auf seiner Lohnsteuerkarte 1992 den Eintrag vor, daß er Mitglied der Evangelischen Kirche sei. Er vermutete eine absichtliche Datenmanipulation mit dem Ziel, der Kirche ungerechtfertigte Steuereinnahmen zukommen zu lassen.

Der Bürger empörte sich weniger über die versehentliche Falscherfassung seiner Daten, wie sie leider immer mal vorkommen kann, weil Menschen Fehler machen, sondern vielmehr über die Schwierigkeiten, die es machte, das Datum, das 1991 noch korrekt auf der Lohnsteuerkarte seine Nichtangehörigkeit zu einer Kirche verzeichnete, wieder korrigieren zu lassen. Das zuständige Bezirkseinwohneramt verwies auf die Kirchensteuerstelle der Evangelischen Kirche und forderte von dem Bürger, der in jungen Jahren aus der Katholischen Kirche ausgetreten war, die Vorlage einer Austrittserklärung aus der Evangelischen Kirche. Hilfsweise wurde dem Finanzamt die Verantwortung für die Eintragung in die Lohnsteuerkarte zugeordnet.

Die Kirchensteuerstelle verwies auf die Schuld des Einwohneramtes, das Büro des Bischofs auf die des Finanzamtes, da andererseits evangelische Pfarrer Lohnsteuerkarten erhalten hatten, die sie als Nichtmitglieder ihrer Kirche auswiesen. Das Finanzamt sah die Verantwortung bei der Kirchensteuerstelle, diese beim Landeseinwohneramt.

Die Verwirrung des Bürgers wurde dadurch nicht geringer, daß nach der deutschen Vereinigung im Herbst 1990 eine Erhebung seiner Lohnsteuermerkmale einschließlich der Kirchensteuermerkmale bei ihm selbst erfolgt war, so daß er annehmen durfte, daß die von ihm selbst angegebenen Daten dem Staat glaubhaft genug waren, um damit weiter zu arbeiten.

Was war geschehen? Für die Lohnsteuerkarten 1991 waren die Kirchensteuermerkmale der Ost-Berliner Bürger bei diesen selbst erhoben worden, weil entsprechende Daten in den von der DDR übernommenen Meldedaten nicht enthalten waren. Diese Vorgehensweise entsprach dem datenschutzrechtlichen Gebot, daß der Staat Daten bei den Bürgern grundsätzlich selbst zu erheben hat, nicht aber hinter ihrem Rücken; Ausnahmen bedürfen einer gesetzlichen Ermächtigung. Die so erhobenen Daten wurden mit Personalcomputern erfaßt, da ein Online-Zugriff auf das ADV-Verfahren Einwohnerwesen (EWW) noch nicht möglich war. Diese auf Disketten gespeicherten Daten wurden zur Vorbereitung des Drucks der Lohnsteuerkarten 1992 in das EWW-Verfahren eingelesen.

Seitenanfang Inzwischen hatten aber auch die Kirchen ihre Mitgliederdaten an das Landeseinwohneramt auf Datenträgern übermittelt. Eine Woche nach dem Einlesen der beim Bürger erhobenen Daten wurden diese durch die von den Kirchen übermittelten Daten überschrieben. Abweichungen von den Angaben der Bürger wurden ignoriert, Rückfragen beim Bürger gab es nicht. Die Senatsverwaltung für Inneres hatte die Bezirkseinwohnerämter darauf hingewiesen, daß grundsätzlich die Angaben der Kirchen als zutreffend anzusehen seien - offensichtlich in vielen Fällen ein Irrtum, wie die in diesem Fall betroffene Evangelische Kirche später auch einräumte. In einigen Fällen wurden alle Familienangehörigen als evangelisch geführt, sofern nur ein Familienmitglied evangelisch war. In Beschwerdefällen über falsche Daten sei der Bürger auf die Kirchensteuerstellen und die Religionsgesellschaften selbst zu verweisen. Dabei übersah die Senatsverwaltung für Inneres, daß das Landeseinwohneramt nach der pauschalen Übernahme der Daten für die Richtigkeit selbst datenschutzrechtlich verantwortlich war.

Nach Auffassung der Senatsverwaltung für Inneres war das Landeseinwohneramt zu der Datenübernahme berechtigt, weil die Erhebung durch die Herstellung der deutschen Einheit erforderlich gewesen sei und somit die übliche Datenerhebung durch An- und Abmeldung nicht habe erfolgen können, die Meldebehörde jedoch zu einer Berichtigung oder Fortschreibung des Melderegisters verpflichtet sei. Die Erfassung beim Bürger selbst wurde als nicht ausreichend erklärt, weil angenommen wurde, daß viele Bürger des Beitrittsgebietes sich über ihre Mitgliedschaften in den Kirchen nicht im klaren wären und darüber hinaus unterstellt wurde, daß viele sich durch Falschangaben der Kirchensteuer entziehen wollten.

So geschah es dann umgekehrt: Die Kirchen übermittelten Daten, in denen Nichtmitglieder als Mitglieder enthalten waren, und es wurde den Betroffenen überlassen, sich um die Korrektur dieser Daten zu kümmern, wenn man ungerechtfertigte Kirchensteuern vermeiden wollte.

Dieses Verfahren wurde als Verstoß gegen §§ 6 und 11 BlnDSG beanstandet, denn zumindest hätten die Betroffenen bei Abweichungen gehört werden müssen. Wir empfahlen, die Betroffenen, deren Angaben geändert wurden, in analoger Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 2 BlnDSG wenigstens im Nachhinein zu hören. Dazu wurde erklärt, dies sei nicht mehr möglich, da das Bandmaterial der Kirchen bereits gelöscht worden sei und eine Auswertung des Einwohnerdatenbestandes mangels geeigneter Diskriptoren nicht möglich sei.

Da das Landeseinwohneramt jedoch gem. § 5 Abs. 3 Nr. 7 BlnDSG bei der Umsetzung technisch-organisatorischer Maßnahmen zur Eingabekontrolle verpflichtet ist und somit zu gewährleisten hat, daß nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, welche personenbezogenen Daten zu welcher Zeit von wem in Datenverarbeitungssysteme eingegeben worden sind, sind wir dieser Aussage nachgegangen. Es stellte sich heraus, daß im Landesamt für Informationstechnik das Protokollband noch vorliegen müßte, das die im August 1991 vorgenommene Überschreibung der Kirchensteuermerkmale durch die Kirchendaten mit den Daten vor und nach der Änderung dokumentiert. Es hätte also nur geeigneter Auswertungsprogramme einfacher Struktur bedurft, um festzustellen, bei welchen Personen bei dem präzise benennbaren Vorgang die Daten tatsächlich verändert worden sind.

Keine Sperre für öffentliche Stellen

Eine mit einem Ausländer verheiratete Mutter kehrte mit ihren Kindern nach Deutschland zurück. Weil sie damit rechnen mußte, daß eine frühere Lebensgefährtin ihres Ehemannes aus Eifersucht ihre Privatsphäre stört, stellte sie bei der Meldebehörde einen Antrag auf Auskunftssperre, dem stattgegeben wurde. Seitdem ist zwar jede Melderegisterauskunft an Private - also auch die ehemalige Lebensgefährtin des Ehemannes - unzulässig. Die Nebenbuhlerin erinnerte sich jedoch an ihren früheren Arbeitgeber - eine öffentliche Stelle - und an eine ehemalige Kollegin. Diese führte aus Gefälligkeit auf dem Kopfbogen der öffentlichen Stelle eine Melderegisteranfrage durch und gab die Anschrift weiter.

Der Fall zeigt ein Problem des Melderechts, das häufig übersehen wird: Die Sperre im Melderegister, die jedermann beantragen kann, der sich durch eine Melderegisterauskunft gefährdet glaubt, wirkt nicht gegenüber öffentlichen Stellen. Hier stand die Sperre also einer Datenübermittlung nicht entgegen.

Der Meldebehörde kann damit kein Vorwurf gemacht werden. Sie mußte davon ausgehen, daß die Meldedaten zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der anfragenden Stelle erforderlich waren. Für Zweifel bestand bei der Form der Anfrage kein Anlaß.

Auf seiten der öffentlichen Stelle liegt dagegen ein datenschutzrechtlichen Mangel vor, da die Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig ist, wenn sie zur rechtmäßigen Erfüllung der durch Gesetz der datenverarbeitenden Stelle zugewiesenen Aufgabe und für den jeweils damit verbundenen Zweck erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wurden die Daten der Petentin dagegen ausschließlich zu privaten Zwecken abgefragt.

Natürlich liegt auch ein Verstoß gegen § 8 BlnDSG (Datengeheimnis) vor. Danach ist es den Dienstkräften öffentlicher Stellen untersagt, personenbezogene Daten unbefugt zu verarbeiten.

Kein Computer - mehr Daten

Ein Bürger, der sich für eine Wohnung im Ostteil der Stadt angemeldet hat, beschwerte sich darüber, daß die Mitarbeiter der Meldestelle auf dem Anmeldeformular trotz energischen Widerspruchs seine Personalausweisnummer festgehalten haben.

Die Meldebehörde begründet dies damit, daß bei Anmeldungen bei Meldestellen im Ostteil der Stadt, die noch nicht mit ADV ausgestattet sind, sowohl das Melderegister als auch das Personalausweisregister zentral fortgeschrieben werden. Nur in solchen Fällen werde die Personalausweisnummer im Meldeschein eingetragen. Dies erfolge nicht im Rahmen des Melde-, sondern des Ausweisrechts und diene der Überprüfung des Ausweisregisters. In der Übergangszeit bis zur vollständigen Installation der ADV im Ostteil der Stadt müsse die Personalausweisnummer auf der Anmeldung notiert werden, um erheblichen Arbeitsaufwand zu vermeiden. Der Eintrag der Personalausweisnummer auf dem Meldeschein sei keine dem Personalausweisgesetz widersprechende Nutzung. Die Ausweisnummer werde von demselben Mitarbeiter, der die Meldeangelegenheiten bearbeitet, ausschließlich für das Personalausweisregister genutzt. Übermittlungen an andere Stellen seien nicht beabsichtigt.

Nach § 14 Meldegesetz hat der Betroffene auf Verlangen der Meldebehörde die Auskünfte zu erteilen, die für die ordnungsgemäße Führung des Melderegisters benötigt werden und die zum Nachweis der Angaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Die Speicherung der Personalausweisnummer ist für den melderechtlichen Vorgang der Ummeldung nicht erforderlich und nach § 12 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 16 Meldegesetz damit nicht zulässig.

Inzwischen verwendet die Meldebehörde ein gesondertes Formular, auf der die Personalausweisnummer festgehalten wird.

Davon unabhängig ist die Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Landespersonalausweisgesetz, der Ausweisbehörde bei der Änderung der Wohnanschrift den Ausweis vorzulegen. Diese Vorlagepflicht dient dem Zweck, die Anschrift im Ausweis zu berichtigen, nicht aber dazu, daß die Meldebehörde über den zulässigerweise gespeicherten Umfang an Meldedaten melderechtsfremde Ausweisdaten festhält.

Geburtsland im Personalausweis

Ein Bürger wurde aus der iranischen Staatsbürgerschaft entlassen und als Deutscher eingebürgert. Mit seiner Einbürgerung hat er einen deutschen Personalausweis erhalten, der neben Datum und Ort der Geburt auch die Angabe seines Geburtslandes Iran enthält. Der Petent fühlt sich dadurch diffamiert.

Rechtsgrundlage für die Speicherung personenbezogener Daten im Personalausweis ist § 1 Abs. 2 Satz 2 PAuswG. Neben dem Lichtbild des Ausweisinhabers sind danach u.a. Angaben zum Tag und Ort der Geburt im Personalausweis zu vermerken (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 PAuswG). Form, Art und Umfang dieser Angaben sind den Bestimmungen des PAuswG nicht zu entnehmen. Bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften, die diesen Bereich konkretisieren, existieren - im Gegensatz zu Pässen - für Personalausweise nicht. Auch das Landespersonalausweisgesetz Berlin enthält keine Regelungen dar über. Hinweise sind jedoch dem Erlaß über behelfsmäßige Personalausweise (Personalausweiserlaß) vom 8. März 1988 zu entnehmen, der nach wie vor gilt.

Dort ist festgelegt, daß der Geburtsort im Personalausweis genau - ggf. unter Angabe des Kreises oder Landes oder eines der geographischen Bestimmung dienenden Zusatzes - zu bezeichnen ist. Bei Geburtsorten im Ausland ist auch der Staat anzugeben, wenn dies zur Klarstellung erforderlich ist.

Danach sind Angaben im Personalausweis zum Geburtsland grundsätzlich zulässig. Sie werden z.B. auch bei Deutschen, die im Ausland geboren sind, vermerkt. Eine spezielle Diffamierung eines Ausweisinhabers allein durch diesen Zusatz kann darin demnach nicht gesehen werden.

Es ist jedoch denkbar, daß persönliche Gründe (z.B. Zwangsausbürgerung) den Betroffenen veranlassen, jeglichen Hinweis auf sein Geburtsland im Ausweis abzulehnen.

Eine Nachfrage bei der Senatsverwaltung für Inneres, ob in begründeten Einzelfällen von der genannten Praxis abgesehen werde, ergab, daß derartige Anträge regelmäßig abgelehnt werden, da dem Ausweisinhaber durch den Zusatz beim Geburtsort keine rechtlichen Nachteile entstehen könnten. Subjektive Vorstellungen, Befürchtungen oder Ängste könnten keine Berücksichtigung finden. Das Verwaltungsgericht habe dies in mehreren Entscheidungen ebenso gesehen.

Für die Personenstandsbehörden, für die entsprechende Regelungen gelten, ist dies verständlich: Der Schriftverkehr mit dem Standesamt des Geburtsortes wird durch eine derartige Angabe erleichtert. Für den Personalausweis, bei dem der Geburtsort lediglich der zusätzlichen Individualisierung dient, ist der Sinn nicht ohne weiteres einsichtig. Die Übernahme der Bestimmung für die Standesbeamten ist wohl eher der Ausfluß eines gewissen Perfektionierungsdranges.

Allerdings läßt auch die Formulierung "wenn dies zur Klarstellung erforderlich ist" einen gewissen Ermessensspielraum. Sie bedeutet praktisch, daß die Mitarbeiter in den Meldestellen selbst entscheiden, ob der Geburtsstaat aufgenommen wird. Dies heißt überspitzt, daß es auf die geographischen Kenntnisse der Bediensteten ankommt. Dieser Spielraum kann dazu genutzt werden, subjektiv empfundenen Beeinträchtigungen bei der Angabe des Geburtslandes entgegenzuwirken.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen haben wir empfohlen, daß bei Personen, die sich durch die Angabe ihres Geburtslandes diskriminiert fühlen, hierauf verzichtet wird. Die Senatsverwaltung für Inneres hat unsere Empfehlung zum Anlaß einer bundesweiten Abstimmung genommen.

4.6.3 Ausländerwesen

Ausländerzentralregistergesetz

Am 1. Oktober 1994 ist das Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) vom 2. September 1994 in Kraft getreten 134. Damit wurde für das bereits seit 40 Jahren beim Bundesverwaltungsamt in Köln geführte Ausländerzentralregister endlich eine Rechtsgrundlage geschaffen. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, daß die Führung eines derartigen Registers ohne gesetzliche Regelung mit dem Deutschen wie Ausländern gleichermaßen garantierten Recht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar ist 135.

Inhaltlich bestehen gegen das AZR-Gesetz allerdings aus datenschutzrechtlicher Sicht erhebliche Bedenken. Diese haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder veranlaßt, in einem Beschluß darauf hinzuweisen, daß das Ausländerzentralregister zukünftig nicht nur als Informations- und Kommunikationssystem für die mit der Durchführung ausländer- und asylrechtlicher Vorschriften betrauten Behörden dienen, sondern darüber hinaus als Informationsverbund für Aufgaben der Polizei, Strafverfolgungsorgane und Nachrichtendienste zur Verfügung stehen soll 136.

Diese Funktionserweiterung ergibt sich daraus, daß Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden mit Bezug zu Ausländern in das Register eingespeichert werden.

So ist es künftig zulässig, daß der INPOL-Fahndungsbestand des Bundeskriminalamtes - soweit er Ausschreibungen zur Festnahme und zur Aufenthaltsermittlung von Ausländern enthält - in das Ausländerzentralregister übernommen wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 AZR-Gesetz). Diese Doppelspeicherung ist überflüssig. Die Polizei hat die erforderlichen Daten bereits im INPOL-System erfaßt und damit jederzeit Zugriff auf diese Daten. Darüber hinaus steht diese Regelung im Widerspruch zum BKA-Gesetzentwurf, da die dort vorgesehenen Zugriffsbeschränkungen auf den polizeilichen Fahndungsdatenbestand aufgehoben werden.

Eine weitere bedenkliche Funktionserweiterung des Ausländerzentralregisters ergibt sich daraus, daß Angaben zu Personen, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß sie im einzelnen bezeichnete Straftaten planen, begehen oder begangen haben, gespeichert werden dürfen (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 AZR-Gesetz). Diese Informationen dienen nicht ausländerbehördlichen Aufgaben, sondern dem Zweck der Kriminalitätsbekämpfung. Zur Verfolgung und vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sind diese Angaben jedoch bereits im INPOL-System, für Drittländer im Schengener Informationssystem und bei Staatsschutzdelikten im NADIS gespeichert. Eine zusätzliche Speicherung im Ausländerzentralregister ist daher überflüssig und eine weitere Umgehung der bereichsspezifischen Regelungen für die Strafverfolgungsbehörden und den Verfassungsschutz.

Die im AZR-Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen, unter denen für Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Nachrichtendienste automatisierte Abrufverfahren eingerichtet werden können, stellen keine wirksame Vorkehrung für die erforderliche Begrenzung der Abrufe dar 137. Besonders problematisch ist der automatisierte Zugriff durch die Nachrichtendienste auf einen - wenn auch reduzierten - Datensatz. Die Erforderlichkeit derartiger Abrufe durch die Dienste ist in keiner Weise belegt. Die Datenschutzbeauftragten haben sich daher dafür ausgesprochen 138, zumindest auf den automatisierten Abruf von Daten aus dem Ausländerzentralregister durch die Nachrichtendienste zu verzichten.

Ausländergesetz

Obwohl das Ausländergesetz (AuslG) bereits seit mehreren Jahren in Kraft ist, liegen die bereits mehrfach angekündigten bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der dort vorgesehenen Übermittlungsvorschriften immer noch nicht vor. Wir haben in den vergangenen Jahresberichten bereits mehrfach gefordert, daß für die Übergangszeit Verwaltungsvorschriften für Berlin in Kraft gesetzt werden 139.

Das Abgeordnetenhaus hat nunmehr den Senat mit Beschluß vom 23. Juni 1994 aufgefordert, die im Sommer 1991 im Zusammenwirken mehrerer Senatsverwaltungen, der Ausländerbeauftragten und des Datenschutzbeauftragten erarbeiteten Anwendungshinweise zu den §§ 75, 76 und 77 AuslG in Kraft zu setzen. Diesem Beschluß ist die Senatsverwaltung für Inneres nachgekommen, indem sie die betroffenen Behörden gebeten hat, diese Hinweise als verbindliche Vorabregelung zu behandeln, die erst mit dem Erlaß der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz auf Bundesebene hinfällig werden.

Erkennungsdienstliche Behandlung von Bürgerkriegsflüchtlingen

Presseberichten entnahmen wir, daß beabsichtigt sei, alle Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien erkennungsdienstlich zu behandeln, denen eine Duldung erteilt werden soll und die ein bosnisches Identitätspapier vorlegen. Die erkennungsdienstliche Behandlung dieses "abgrenzbaren Personenkreises" sei gerechtfertigt wegen genereller Zweifel an der Identität des Antragstellers und vor dem Hintergrund, daß den bosnischen Behörden 16.000 Paß- und Ausweisformulare nebst Stempeln abhanden gekommen seien sowie daß in den letzten Monaten in Berlin über 500 Ermittlungsverfahren wegen Totalfälschung oder Verfälschung bosnischer Legitimationspapiere oder wegen Benutzung der entwendeten bosnischen Paß-Blankette eingeleitet werden mußten.

Vor einer Gesetzesänderung, zu der die Bundesregierung von der Innenministerkonferenz am 6. Mai 1994 aufgefordert worden ist, ist eine erkennungsdienstliche Maßnahme gegen Ausländer nur unter den Voraussetzungen der §§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 41 Abs. 2 AuslG zulässig. Danach kann - wenn eine Duldung erteilt werden soll - diese nur zur Feststellung seiner Identität durchgeführt werden, wenn im Einzelfall Zweifel an der Person des Ausländer bestehen.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen können in erheblichem Maß in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen eingreifen. Insofern müssen strenge Anforderungen auch an die Notwendigkeit derartiger Eingriffe gestellt werden. Bei jedem einzelnen Betroffenen, der nach § 41 AuslG einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen werden soll, ist somit konkret festzustellen, aufgrund welcher Tatsachen Zweifel daran bestehen, daß die vom Betroffenen angegebenen Personalien zutreffen. Eine pauschale erkennungsdienstliche Behandlung aller bosnischen Flüchtlinge - ohne Berücksichtigung des Einzelfalls - widerspricht damit dieser Bestimmung.

Bereits im Jahresbericht 1991 140 haben wir gegen die Praxis, Asylbewerber aus bestimmten Herkunftsländern generell erkennungsdienstlich zu behandeln, erhebliche Bedenken geäußert. Diese Bedenken lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Auch der Umstand, daß es sich hier um einen "abgrenzbaren Personenkreis" handelt und Hinweise auf einen verstärkten Mißbrauch von Paß- und Ausweisformularen vorliegen, die ein erhöhtes Mißtrauen hinsichtlich der Angaben zur Identität der Betroffenen rechtfertigen, macht eine Prüfung der Erforderlichkeit von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in jedem Einzelfall nicht entbehrlich.

Die Senatsverwaltung für Inneres hält demgegenüber ihr Vorhaben angesichts der konkreten Anhaltspunkte für massenhafte Fälschungen und damit mißbräuchliche Nutzung sowohl des Aufenthaltsrechts als auch der entsprechenden Sozialleistungen für gerechtfertigt. Über das endgültige Vorgehen ist noch nicht entschieden.

Zuletzt geΣndert:
am 08.02.97

mail to webmaster